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Dr. Richter im Interview in DIE WELT Wer darf eigentlich alles Schönheitsoperationen durchführen?

DIE WELT, vom 12.09.2017:




Im Interview Dr. med. Dirk F. Richter. Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, Chefarzt der Klinik für Plastische Chirurgie Dreifaltigkeits-Krankenhaus, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Bonn, President-Elect der International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS)

Das ist eine wichtige Frage, die wir hier für Deutschland leider so beantworten müssen: Jeder Arzt, der frisch von der Uni kommt! Deshalb fordern wir seit Jahren, dass gerade dieses große Fachgebiet per Gesetz nur von ausgebildeten Fachärzten für Plastische und Ästhetische Chirurgie bedient werden darf.

Hier steht natürlich der Plastische Chirurg schon aufgrund seiner langjährigen Ausbildung im Vordergrund. Aber auch der Mund-Kiefer-Gesichtschirurg kann in seinem Fachgebiet, genauso wie der Hals-Nasen-Ohrenarzt auch, spezifische Eingriffe anbieten, wenn er eine Zusatzbezeichnung „Plastische Operationen“ nach zweijähriger Weiterbildung erlangt hat, durchführen. Dennoch passiert es häufig, dass diese Kollegen die anatomischen Grenzen sehr weit verschieben und anstelle nur im Gesicht zu operieren, auch Brüste verschönern und Fett an den Oberschenkeln absaugen.

Dagegen wehren wir Plastische Chirurgen uns seit Jahren und versuchen durch intensive Öffentlichkeitsarbeit und Einflussnahme auf Politik und Verbände, Veränderungen zur Verbesserung der Patientensicherheit herbei zu führen. Im internationalen Vergleich gibt es allerdings schon Länder, in denen klar reglementiert ist, welcher Facharzt was darf.

In Dänemark beispielsweise darf nur der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurg entsprechende „Schönheitsoperationen“ durchführen, in Frankreich ist dies ebenfalls stark Gebietsbezogen und gesetzlich geregelt. Das würde ich gerne in viel mehr Ländern erreichen und sehe hier auch eine spannende Aufgabe meiner Präsidentschaft.


Welchen Stellenwert hat hier das Thema der Weiterbildungsmaßnahmen der Fachärzte, aber auch der jungen angehenden Ärzte?

Die Mutter der plastischen Chirurgie ist natürlich die Wiederherstellungschirurgie nach Tumoren, Verbrennungen oder Unfällen. Hier wird nicht nur die Funktion wieder hergestellt, sondern auch mit ästhetischem Auge versucht, die Spuren des Voringriffes weitestgehend zu eliminieren oder zumindest zu verbessern. Aus diesem Grund ist bei der langjährigen Facharztausbildung die Anzahl der rekonstruktiven Eingriffe zur Wiederherstellung von Form und Funktion im Vordergrund. Und dies ist sehr sinnvoll. Denn ohne dieses Wissen ist man nicht in der Lage eventuell auftretende Komplikationen bei „Schönheitsoperationen“ entsprechend zu beherrschen und zu korrigieren. Beispielsweise gibt es in seltenen Fällen nach einer Unterlidkorrektur ein sogenanntes Ektropium, ein Abklappen des Unterlides. Dies führt zu einem Dackelblick und kann zu einem Schaden an der Hornhaut führen. In der Ausbildung zum Facharzt für plastische Chirurgie lernt man derartige Komplikationen zu beherrschen, zum Beispiel wenn sie auch nach Tumoroperationen oder Verbrennungen auftreten. Häufig wird jedoch an großen Kliniken die ästhetische Chirurgie nicht ausreichend angeboten oder ist zur Chefsache gemacht worden. Deswegen ist es so wichtig, die jungen Kollegen bereits frühzeitig über Kurse, Fortbildungen und strukturierte Weiterbildungsprogramme im Bereich der ästhetischen Chirurgie auszubilden und dies schon frühzeitig! Die ästhetische Chirurgie ist kein kleiner Bereich, der am Ende der Ausbildung stehen, sondern schon bei Beginn begleiten sollte.


Die deutschen Fachgesellschaften DGPRÄC und VDÄPC haben hierfür ein vorbildliches Ausbildungsprogramm für Assistenten in der Weiterbildung geschaffen! Seit Jahren bieten unterschiedliche Kliniken und Praxen kostenloser Ausbildungsprogramme meist über mehrere Tage an, die sehr gut besucht und bewertet werden. Man kann in der Regel aus über 100 Kurs angeboten in ganz Deutschland wählen. Die Assistenzärzte werden in der Regel von ihren Chefs hierfür freigestellt und bekommen Sonderurlaub.


Wie sieht die Ausbildung junger Ärzte im weltweiten Vergleich aus?

Auch hier hat Deutschland eine Vorreiterstelle. Aus diesem Grunde haben wir ein besonderes internationales Ausbildungsprogramm für junge Ärzte bei der ISAPS etabliert: Das Residents and Fellow Programm bietet die Möglichkeit eines mehrmonatigen Praktikums bei ausgewählten Experten in der ganzen Welt. Hier kann der Assistenzarzt je nach gesetzlichen Bestimmungen unter Aufsicht sogar selbst operieren und entsprechende Fähigkeiten auf dem Gebiet der Schönheitschirurgie erlernen. Dies wird insbesondere von jungen Kollegen genutzt, die im eigenen Land kaum die Möglichkeit haben, ästhetische Chirurgie zu erlernen oder zu betreiben.

Aber auch nach der Ausbildung wollen wir für unsere jungen Mitglieder verfügbar sein. Dies geschieht über das ISAPS Mentor Programm. Hier kann sich der Assistenzarzt oder frische Facharzt, der sich gerade niedergelassen hat bei einem erfahrenen Kollegen beraten lassen. Beispielsweise mit der Frage: was würdest du hier empfehlen? Was ist bei diesen Patienten zu beachten? Oder Hilfestellung im Falle einer Komplikation zu liefern. Die modernen Medien ermöglichen hier meist kurze Reaktionszeiten z.B: WhatsApp.



Die Plastische Chirurgie wird in der Öffentlichkeit oft mit der sogenannten „Schönheitschirurgie“ gleichgesetzt, in dieser teils Operationen gezeigt und beschrieben werden, die Idealbilder formen. Hierdurch entsteht Irreführung und Unklarheit. Wie vielseitig ist die Plastische Chirurgie tatsächlich und welchen Stellenwert nimmt hier die Ästhetik ein?

Leider stimmt dies viel zu häufig! Dabei wird vergessen, dass unsere Ausbildung, die über sechs Jahre hinweg dauert, alle Gebiete der plastischen, rekonstruktiven und ästhetischen Chirurgie beinhaltet. Wir lernen mit Unfallfolgen, Tumoren und Verbrennungen genauso umzugehen wie mit verkrümten Fingern oder abgetrennten Gliedmaßen. Hierbei erlernen wir Techniken insbesondere der Microchirurgie das heißt der Gewebeverpflanzung mit Anschluss an kleinsten Gefäßen. Hierbei werden Gewebsbereiche unter dem Mikroskop an kleinste Gefäße angeschlossen. Dies geschieht mit Fäden, die mit dem bloßen Auge kaum sichtbar sind. Diese feinen Arbeiten werden in dem Fachgebiet der plastischen Chirurgie besonders geschult und verhelfen uns insgesamt zu einem gewebeschonenden Umgang am ganzen Körper. Die Schönheitschirurgie nimmt insbesondere im niedergelassenen Bereich einen hohen Stellenwert ein. Viele Praxen und kleine Privatkliniken haben sich hier drauf spezialisiert und bieten hier Erfahrung und Kompetenz an. Aber auch öffentliche Krankenhäuser oder Universitätskliniken decken diesen Teilbereich als Ausbildungskliniken kompetent ab. Insbesondere Patienten mit Begleiterkrankungen suchen häufig die Sicherheit eines Krankenhauses mit entsprechender Infrastruktur und Erfahrung eines Chefarztes, wenn Sie sich für einen Eingriff entscheiden, der medizinisch nicht erforderlich ist.


Leider ist es für den suchenden Patienten oftmals sehr schwierig hier die Spreu vom Weizen zu trennen. Aufgrund fehlender gesetzlicher Bestimmungen ist der Begriff Schönheitschirurgie weit verbreitet ohne Qualität zu garantieren. Es ist kein offizieller Facharzttitel, ebenso wenig wie kosmetischer Chirurg oder Schönheitschirurg. Hier verbirgt sich häufig der schlecht ausgebildete fachfremde Arzt, der durch Wochenendkurse nur oberflächliches Wissen erlangen konnte. Leider sehen wir überproportional häufig Komplikationen bei Kollegen ohne die langjährige Ausbildung zum Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie.


09-2017 Fabian Rendel, redaktion.de@mediaplanet.com

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